Der Igel: beliebt und missverstanden
Wohl kaum ein anderes Wildtier genießt eine so große Beliebtheit bei den Menschen wie der Igel. In Märchen wird ihm die Rolle des Schlauen, der letzten Endes den Hochmütigen besiegt, gegeben; in netten Geschichten und Comics ist er der Humorvolle und Weise. Viele sind entsetzt, ihn als Straßenopfer zu finden – und manche lieben ihn sogar zu sehr, sodass mitunter übertriebene Tierliebe in Vermenschlichung umschlägt und den Tieren schadet. Dass Igelschutz am besten durch Lebensraumschutz bewirkt werden kann, zeigt der NABU Niedersachsen auf und appelliert an Gartenbesitzer, die Weichen zu stellen, damit dem Igel nachhaltig und mit Sachverstand geholfen werden kann.
Das Problem falsch verstandener Tierliebe
„Igel sind Wildtiere, das darf nie vergessen werden. Und sie stehen unter gesetzlichem Schutz“, sagt Rüdiger Wohlers vom NABU Niedersachsen. Er hat in mehr als 25 Jahren Arbeit oft erlebt, dass der Igel häufig völlig missverstanden und sogar zum „Haustier“ erklärt wird – oftmals das Todesurteil für das Tier. „Es gibt leider immer noch eine gewisse Einsammelmentalität, gerade im Herbst“, berichtet er: „In unserer NABU-Geschäftsstelle erhielten und erhalten wir immer wieder Anrufe von gut meinenden Tierfreunden, die vermeintlich hilfsbedürftige Igel allerorten einsammeln, weil sie Angst haben, dass die Tiere den Winter nicht überstehen könnten. Dies ist aber nur bei stark geschwächten oder stark untergewichtigen Tieren der Fall. Auf jeden Fall sollte dann immer ein Tierarzt das letzte Wort haben. Und es sollte eine anerkannte Igelstation einbezogen werden. Der reinen ‚Einsammelei‘ muss Einhalt geboten werden – übrigens auch, weil sie gegen Naturschutzrecht verstößt und in Tierquälerei übergehen kann!“, mahnt Wohlers und nennt Beispiele aus der NABU-Praxis: „Wir hatten sogar Anrufe Anfang Juli, in denen vermeintliche Igelfreunde bereits Igel einsammeln wollten und regelrecht aggressiv reagierten, als wir sie davon abzubringen versuchten. Eine Dame hatte mal im September bereits acht Igel eingesammelt und wollte diese ‚unterbringen‘. Wir konnten sie zum Glück dazu bewegen, die Tiere sofort wieder an den Fundorten freizulassen.“
Ein naturnaher Garten ist ein igelfreundlicher Garten
Aber nicht der Winter, sondern die Sommerzeit ist eine besonders gefährliche Zeit für die tierischen Gartenbewohner. Denn zu dieser Jahreszeit rollen Rasenmäher und Mähroboter über den Rasen und machen alles kurz und klein, inklusive der Tiere. „Manche Mähroboter machen vor kleinen Tieren wie Igeln, Spinnen, Eidechsen oder Blindschleichen nicht Halt“, warnt Rüdiger Wohlers. Sie werden überrollt, verstümmelt und getötet. „Vor allem wenn die Mähroboter nachts oder in der Dämmerung unsachgemäß ohne Aufsicht laufen, sind die nachtaktiven Igel gefährdet.“ Der Naturschützer rät daher, lieber mehr Wildnis im Garten zuzulassen: „Nur ein naturnaher Garten kann ein echter ‚Igelgarten‘ sein“, sagt Wohlers. „Wer einen bürstenkurzen Rasen, viele versiegelte Flächen und immergrüne Exoten mit dem ökologischen Wert von Plastikblumen als Hauptbestandteile seines Gartens hat, muss sich nicht wundern, wenn der Igel einen großen Bogen um ihn macht. Im Garten sollte Vielfalt angesagt sein – heimische Sträucher, deren Laub auch im Herbst und Winter liegen bleiben darf, das der Igel im Winter für sein Schlafnest nutzen kann, Stauden, vielleicht auch eine ‚wilde Ecke‘ aus Holz, Ästen und Laub und eine kleine Wasserstelle gehören dazu. Wichtig ist, dass heimische Pflanzen eingebracht werden. Dann finden auch die Nahrungstiere des Igels einen Lebensraum. Igel haben ein Nahrungsspektrum, das fast ausschließlich aus tierischem Eiweiß besteht: Auf ihrem Speiseplan stehen Schnecken in großer Zahl, Regenwürmer, Käfer, Raupen, Ameisen, anderes Kleingetier, aber auch schon mal ein Ei einer bodenbrütenden Vogelart oder Aas, da sind sie nicht wählerisch.“
Für den Igel aktiv werden
Um dem Igel über die kalte Jahreszeit zu helfen, kann ihm eine hervorragend bewährte „Igelburg“ gebaut werden. Wohlers: „Jetzt, kurz bevor der Herbst Einzug hält, ist die richtige Zeit, dem Igel seine Burg aus Holz zu zimmern. Das können sogar wenig handwerklich Begabte“, schmunzelt der Naturschützer, der sich selbst so sieht: „Wenn die Igelburg dann mit Geäst und Laub abgedeckt wird, ist dies ein idealer Überwinterungsplatz. Ganz wichtig ist jedoch, dass der Standort der Igelburg niemals in einer regenwassergefährdeten Senke liegt, sondern idealerweise auf etwas erhöhtem Terrain unter Sträuchern“, betont Wohlers. Der Naturschützer hofft, dass viele Menschen in Niedersachsen nicht nur ihre Liebe zum Igel versichern, sondern auch Hand anlegen, um ihn im eigenen Garten zu helfen. „Dass Hilfe dringend notwendig ist, zeigt sich auch daran, dass die Bestände des Igels seit Jahren in ganz Europa rückläufig sind“, so der NABU-Mitarbeiter.
Der NABU Niedersachsen hält für Igelfans ein kleines Info-Paket bereit: Es besteht aus der Bauplansammlung für Nisthilfen aller Art, wozu auch die Igelburg zählt, und einer Farbbroschüre zum Igel, seiner Lebensweise, Gefährdung und Schutz – mit vielen praktischen Tipps. Es kann angefordert werden gegen Einsendung eines 5-Euro-Scheins beim NABU Niedersachsen, Stichwort Igel, Alleestr. 36, 30167 Hannover.
Pressemitteilung NABU, Foto Roger Cornitzius