Weser nach Schiffsunfall lange gesperrt

Aus DIE HARKE

Experten rechnen mit schwieriger Bergung des gesunkenen Bootes / Öl ausgelaufen

Nach dem Schiffsunfall auf der Weser laufen die polizeilichen Ermittlungen zur Unglücksursache. Das Schiff ist zwar gesichert, die Gefahr ist aber noch nicht gebannt. Fest steht jedoch: Die Bergung wird aufwendig und sich noch über Tage hinziehen. Bis dahin bleibt die Weser für den Schiffsverkehr zwischen der Schleuse Drakenburg in Sebbenhausen und dem Anleger Nienburg gesperrt.

In Höhe des Flusskilometers 271,15 waren am Sonntagvormittag zwei Schiffe in einer Rechtskurve Bug an Bug kollidiert. Wie es zu dem Unfall oberhalb der Eisenbahnbrücke Marklohe kommen konnte, ist Teil der laufenden Ermittlungen der Wasserschutzpolizei. Nach den bisherigen Ermittlungen war das unter polnischer Flagge fahrende Motorschiff West Oder 1 in Fahrtrichtung Minden unterwegs, als es mit dem niederländischen Binnenschiff Timbo, das etwa 800 Tonnen Linsen geladen hatte und Richtung Bremen fuhr, frontal kollidierte.

Dabei schlitzte der Anker des 80 Meter langen und 9,5 Meter breiten Schiffes die West Oder 1 am Bug auf. Die West Oder 1 hat 600 Tonnen Mais geladen. Die Ladung ist aktuell gesichert. Doch niemand wisse, wie groß die Schäden am Boot sind und sich das eindringende Wasser womöglich auf die Fracht, die nach Bramsche transportiert werden sollte, auswirkt.

Die Besatzungen beider Boote, vier aus Polen stammende Männer, blieben unverletzt. Die Besatzung der West Oder 1 wurde nach der Kollision von zufällig in der Nähe übenden Feuerwehrleuten gerettet. Der Schiffsführer und sein Steuermann wurden unversehrt auf das Mehrzweckboot der Feuerwehr Nienburg/Heemsen geholt und damit an Land gebracht.

Der vordere Teil des Schiffes lief Minuten nach dem Unglück mit Wasser voll, dadurch geriet das Schiff in Querlage und sank schließlich im Böschungsbereich des sogenannten Außenbogens. Spezialisten des Technischen Hilfswerkes (THW) haben das 67 Meter lange und acht Meter breite Schiff mit etlichen Tauen im Bereich des Hecks, in der Mitte und am Bug an Dutzenden Erdpfählen gesichert, damit es nicht abrutscht. „Dennoch ist das Risiko noch nicht gebannt“, sagt der Leiter des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Weser (WSA), Henning Buchholz. Er hatte sich am Montagmorgen an der Unglücksstelle ein Bild von dem Unfall gemacht. Wenige Meter weiter hat die Weser eine Tiefe von etwa fünf Metern. Wenn das Boot dorthin abrutscht, werde die Bergung noch schwieriger, als sie es ohnehin schon werde.

Ein Sprecher der Wasserschutzpolizei sprach am Sonntag von einem „immensen Schaden“ an den Booten. Wie hoch dieser ist, steht derzeit noch nicht fest. Ebenso ist auch unklar, auf welcher Länge der Anker das polnische Motorschiff aufgeschlitzt hat und welche Schäden das Boot außerdem noch hat. Das niederländische Schiff liegt im Bereich der Schleuse in Drakenburg. Die Timbo hat einen gut 40 Zentimeter langen Riss und einen Motorschaden. „Der Motor wird ausgetauscht und der Riss zugeschweißt, dann kann das Boot seine Fahrt fortsetzen“, sagt Henning Buchholz. Das Frachtschiff hatte sich zunächst durch Notanker vor Ort halten können, musste dann jedoch den Anker aufgeben, schaffte es aber aus eigener Kraft noch bis zum Schleusenkanal Drakenburg.

Bis die West Oder 1 ihre Fahrt fortsetzen kann, wird es einige Tage dauern. „Wir wollen natürlich, dass die Mittelweser in diesem Bereich schnell wieder für die Schifffahrt freigegeben werden kann“, sagt Henning Buchholz. Aber das liegt nicht in Händen des WSA. Auf einen Zeitpunkt der Freigabe der Weser in diesem Streckenabschnitt will er sich nicht festlegen lassen. Das sei zu früh, weil noch nicht feststehe, wie die Bergung erfolgen solle. Das entscheidet ein von der Versicherung des Schiffseigners eingesetzter Havariekommissar. Er traf am Montagnachmittag an der Unglücksstelle ein und machte sich zunächst ein erstes Bild an der Unfallstelle.

Anschließend sollen Taucher zum Einsatz kommen, die sich das gesunkene Schiff und seine Schäden anschauen sollen. Danach treffe der Havariekommissar eine Entscheidung darüber, wie das Schiff geborgen werden soll, und beauftragt ein Unternehmen für die Bergung. Heute werden Bergungsunternehmen in Marklohe erwartet.

Laut dem WSA-Leiter hat sich der Unfall zwar in einem kurvigen, aber auch sehr breiten Bereich der Weser ereignet. Wie die Schiffe in diesem Bereich einander passieren sollen, sei in der Schifffahrt klar geregelt. „Der Bergfahrer gibt an, wie zu fahren ist“, erklärt Henning Buchholz. In diesem Fall ist das schiefgegangen – die Schiffe kollidierten frontal mit ihren Bugs. Zumeist sei die klassische Begegnung in diesem Bereich über die Steuerbordseite, erklärt der Experte. Er rechnet damit, dass sich der Verkehr vor den gesperrten Bereichen in den nächsten Tagen staue. Am Sonntag sei nicht viel los gewesen auf der Weser. Das ändere sich wochentags, wenn dort viele Binnenschiffe verkehrten.

Feuerwehrleute aus dem Landkreis Nienburg und THW-Kräfte aus dem Landkreis Nienburg sowie aus Cloppenburg haben mit ihrem schnellen Einsatz eine größere Katastrophe verhindert. Die Feuerwehrleute hatten auf der Weser schnell Ölsperren, eine zur Einfahrt eines in der Nähe gelegenen Naturschutzgebietes, eine vor einer ehemaligen Kieskuhle sowie eine zum Sportboothafen Mehlbergen, errichtet. Dennoch sind Tausende Tonnen Öl in die Weser gelaufen. „Einen größeren Umweltschaden können wir derzeit aber ausschließen“, sagt Manuel Wehr, Fachbereichsleiter Umwelt beim Landkreis. Ein größeres Fischesterben werde nach derzeitigen Erkenntnissen ebenfalls ausgeschlossen. Die Gefahr sei aber nicht gebannt, weil unklar sei, wie viel Treibstoff ausgetreten ist. Er erwartet, dass Öl an die Uferbereiche komme. Mehr als 2500 Liter Öl hatte die Ölgruppe des THW Cloppenburg am Montagmittag bereits mit einem Wring-Verfahren aus der Weser geschöpft. Die Spezialisten waren noch am Sonntag nach Marklohe gekommen. „Wir haben die Maschine seit Mitternacht im Betrieb“, sagt Gruppenführer Jürgen Blanke. Die Maschine fördere mit Öl verschmutztes Wasser an Land. Weil die Experten nicht wissen, wie viel Öl ausgelaufen ist, kam gestern noch eine zweite Maschine dieser Art aus Cuxhaven in Marklohe an. Die THW-Experten wechseln sich in Schichten ab. Für sie wird es der zweite längere und kräftezehrende Einsatz, sind sie doch zeitgleich auch noch im Hochwasserkatastrophengebiet in Ahrweiler in Rheinland-Pfalz im Einsatz.

Laut WSA-Leiter Henning Buchholz stehe nicht fest, wie viel Kraftstoff das gesunkene Schiff an Bord habe. Das Schiff habe ein Tankfassungsvermögen von rund 10000 Litern. Zudem haben Binnenschiffe in der Regel noch wenige Hundert Liter Heizöl für das Beheizen der Wohnung an Bord sowie Motoröl.

Die Wasserschutzpolizei sucht nach Zeugen des Unfalls. Hinweise an Telefon (05021) 922930.

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